Das Meer ist seit jeher eine Nahrungs- und Gesundheitsquelle für die Menschen. Neben der herausragenden Wirkung des Seeklimas, den Fischen und anderen Meerestieren, die aus der menschlichen Ernährung nicht mehr wegzudenken sind, produziert das Meer auch Pflanzen, deren heilende Wirkungen seit langem bekannt sind und auch genutzt werden. Was uns mitunter an den Badestränden von Ost- und Nordsee oder anderswo als lästig erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinschauen in einschlägigen Heil- und Kräuterbüchern als wertvolles Heilmittel. Überliefert ist schon von antiken Schriftstellern, allen voran Dioskurides, dass Tang damals schon als Wundmittel und menstruationsförderndes Heilkraut Verwendung fand. In Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts wurde Tang als Magen-und Fiebermittel, als Wundheilmittel und als Gegengift bei Schlangen- und Hundebissen angepriesen. Meist wird von der Verwendung des Blasentangs gesprochen, doch auch andere Tangarten, wie etwa der Knorpeltang, haben hervorragende Inhaltsstoffe. Der botanische Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass erstere zur Abteilung der Braunalgen und letztere der Abteilung der Rotalgen zugehörig ist. Viele andere Arten der Braun- und Rotalgen haben als Biomasse für die Gewinnung von Jod, Soda, Futter- und Düngemittel weltweit eine immense wirtschaftliche Bedeutung. Der Knotentang aus der Abteilung der Braunalgen ist als direktes Dünge- und Futtermittel geeignet. Aus anderen wird industriemäßig Agar, zum Beispiel als Geliermittel für Lebensmittel, gewonnen. Versuche, „Ostseeagar“ zu gewinnen, scheiterten in der Vergangenheit am ungenügenden natürlichen Aufkommen in der Ostsee. Auch für die direkte menschliche Ernährung sind verschiedene Arten in Gebrauch. So werden in Island, Schottland und Nordamerika bestimmte Arten mit Butter zu Kartoffeln oder Fisch gegessen. In Japan wird der Zuckertang als Tangmehl zu Gebäck verarbeitet oder zur Zubereitung von Suppen oder Soßen eingesetzt. Der an den Küsten des Nordatlantik und Pazifik sowie in der Ostsee und im westlichen Mittelmeer vorkommende Blasentang, auch Schweine- oder Höckertang genannt, regt aufgrund seines Jodgehaltes den Stoffwechsel an. Er wird daher vornehmlich als Bestandteil von Abführtees verwendet. Allerdings führt der Jodgehalt der Droge bei empfindlichen Personen zu Überempfindlichkeitsreaktionen. Auch für die Herstellung homöophatischer Mittel, etwa zur Behandlung von Fettsucht, ist Blasentang von Bedeutung. Der nordatlantische Knorpeltang, Chondrus crispus, wird in Irland, Großbritannien, Frankreich, Norwegen und in Nordamerika gesammelt und unter Namen wie „Carragen“, „Irish Moss“, „Perlmoos“, „Gelatinetang“ usw. als Droge, zum Beispiel für Tee, und als Rohstoff für die Carrageenherstellung gehandelt. Diese offizielle Droge aus den Rotalgen Chondrus crispus oder Gigartina mamillosa werden wegen ihres hohen Gehaltes an Schleimstoffen medizinisch als Emulgator und einhüllendes Mittel bei Darmkatarrh verwendet. Außerdem eignen sie sich zur Herstellung von Appreturmitteln in der Textilindustrie, als Dickungsmittel für Farbstoffe und als Klebstoff. Wie lange die Menschen die wertvollen Früchte der Weltmeere ernten können, hängt von ihrer Vernunft im Umgang mit ihnen ab. (jr) Foto: Rozynek
