„Was, so lange arbeiten Sie schon im Hospiz?“ Ich weiß nicht, wie oft mir diese Frage gestellt wurde, aber sie kommt ziemlich häufig. Selten mit Unverständnis, eher mit Verwunderung.
Ich heiße Christiane Behrend, und ja tatsächlich, am 1. November sind es 17 Jahre, die ich im Hospiz beschäftigt bin. 10 Jahre davon im stationären Bereich als Pflegedienstleitung und seit 7 Jahren als Koordinatorin im Ambulanten Hospizdienst.
Wie kann man das aushalten? Wie kann man ein fröhlicher Mensch bleiben – und dazu zähle ich mich durchaus – wenn man jeden Tag von Trauer, Tod und Sterben umgeben ist? Wie erträgt man all die vielen Tränen, ohne selber weinen zu müssen? Woher kommen Kraft und Ruhe, die ich brauche, um jeden Tag neu auf sterbende Menschen und ihre Familien zugehen zu können? Der Versuch einer Antwort: Ich liebe meine Arbeit. Weniger die einer Krankenschwester, eher die einer Beraterin und Unterstützerin in besonderen Krisen. Und es sind immer Krisen, die die Menschen zu uns ins Hospiz führen. Plötzlich hat der Arzt im Krankenhaus es ausgesprochen, die schreckliche Vorahnung in Worte gefasst und nun ist sie Gewissheit. Aufgewühlt, oft kopflos und mit tausend Fragen stehen Betroffene oder deren Angehörige dann vor unserer Tür.
Manchmal rufen auch Hausärzte oder Pflegedienste an und schildern Krankenschicksale mit der Bitte um Unterstützung. Jede Situation ist anders, weil jeder Patient seine eigene Geschichte, eigene Hoffnungen und Erwartungen mitbringt. Vielleicht ist es die Herausforderung, sich ständig in unbekannte Lebenssituationen zu stürzen, die mich so fasziniert. Der erste Hausbesuch ist wie ein Neubeginn, ein völliger Neustart. Alles ist noch offen, aber in rasant kurzer Zeit erhalte ich dann tiefe Einblicke in Familien- und Lebensstrukturen, wie es wohl kaum in einem anderen Beruf möglich ist. Während es zum einen um Therapieanpassungen geht und viel Organisatorisches erledigt werden muss, sind es jedoch vor allem die unzähligen Gespräche, die ich mit dem Patienten und seiner Familie führe, die meine Arbeit so besonders machen. Und ich kann mir die Zeit dafür nehmen! Was für ein Luxus!

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Wir halten Rückschau und reden über Gegenwärtiges. Es ist unglaublich, was für besondere Menschen ich in den 17 Jahren kennen- gelernt habe, was für wunderbare Begegnungen ich hatte. Ganze Bücher könnte ich mit ihren Geschichten füllen. Sie sind wie kostbare Perlen, die mich reich gemacht haben. Und am Ende wiegen sie all das Schwere und Traurige in meiner Arbeit immer wieder auf. Bis zum letzten Hausbesuch, Patientenkontakt ist mein Ziel, dafür zu sorgen, dass der Kranke möglichst wenig leiden muss. Viele Symptome kann man heute schon sehr gut lindern. Mindestens genauso wichtig ist es, Angehörige zu unterstützen, damit sie diese anstrengende und intensive Zeit aushalten bzw. durchhalten können. Dasein, Sicherheit vermitteln, Mut machen, Trösten ist das, was meine Arbeit hierbei ausmacht. Zu vielen Angehörigen besteht auch danach noch ein guter Kontakt, mancher über Jahre. Auch das empfinde ich als Bereicherung. Mit diesen „Perlen“ in meiner „Lebensschatztruhe“ bin ich über all die Jahre ein fröhlicher Mensch geblieben. Ein wenig chaotisch vielleicht, aber mit geschärftem Blick für das Wesentliche. Denn nichts erdet einen so sehr, wie die tägliche Auseinandersetzung mit dem Tod. Ich liebe das Leben und ich liebe meine Arbeit. Ich habe um mich herum ein tolles Team, mit Kollegen, die fast alle ebenfalls von Anfang an mit dabei sind und die mit mir in die gleiche Richtung blicken. Ich bin dankbar für richtig gute Arbeitsbedingungen und Wertschätzung meiner Arbeit, die weit über den monatlichen Lohn hinausgeht.
Wen wundert es jetzt noch, dass ich schon so lange im Hospiz arbeite?
„Kommt alle her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“ Matthäus 11,28
Das Trauercafé findet seit 2003, etwa alle 4 Wochen, in den Räumlichkeiten des Ambulanten Hospizdienstes Stendal statt und ist Teil des Trauernetzwerks Altmark. Im Trauercafé finden sich Menschen zusammen, die in ihrer Trauer Halt und Hilfe suchen. Jede und jeder am Tisch ist auf eine Weise betroffen – das verbindet. Tränen müssen nicht versteckt werden, aber auch ein Lachen darf seinen Platz haben.
Wichtig ist, dass sich alle Teilnehmer die Zeit für ihre „Auszeit“ vom Alltäglichen nehmen. Das Trauercafé dauert etwa 2 Stunden in der Zeit von 15.00 bis 17.00 Uhr und ein(e) jede(r) soll seinen Platz darin finden, ob mit oder ohne Worte.
Die Zusammensetzung der Gruppe ist in jedem Trauercafé neu, da es ein offenes Angebot für all diejenigen ist, die von Trauer betroffen sind. Es gibt Trauernde, die über einen längeren Zeitraum zu uns kommen, aber auch welche, die nur einmal dabei sind. Alle Teilnehmer befinden sich auf unterschiedlichen Höhen ihres Trauerweges, aber die gemachten Erfahrungen helfen den anderen Teilnehmern. Es findet immer ein reger Austausch statt. Auch wenn es nicht für alle Probleme eine Lösung gibt, so darf doch alles angesprochen werden. Durch das Trauercafé führen 2 ausgebildete Trauerbegleiter, die auf langjährige Erfahrungen in der Hospiz- und Trauerarbeit zurückgreifen können. Langjährige Unterstützung in Form von frisch geröstetem und gemahlenem Kaffee findet das Trauercafé in der Kaffeerösterei Kaffeekult, ein ganz herzliches Dankeschön dafür.
Susanne Kanemeier Trauerbegleiterin, Koordinatorin AHD Stendal