Mein Ort der Freude verknüpft eine Erinnerung der tiefsten Geborgenheit aus der Kindheit mit einer immer wiederkehrenden Erfahrung nach dem Verlust.
Ich bin in einer Großfamilie aufgewachsen. Mit meinem Vater war ich immer sehr verbunden, fast seelenverwandt. Es gab kaum Momente, in denen körperliche Nähe möglich war. Ich erinnere mich besonders intensiv an den Gottesdienst am Sonntagmorgen. Als kleines Mädchen wurde ich stets unruhig, wenn die Predigt begann, damit mich mein Vater auf den Schoß nahm. Ich habe das herausgefordert, weil ich genau wusste: Diese zwanzig Minuten auf dem Schoß meines Vaters würde niemand stören. Es war für mich die schönste Zeit.
Im Jahr 2005 erhielt mein Vater in der Woche nach Ostern die Diagnose Hirntumor. Wir wussten, dass die Lebenszeit begrenzt sein würde. Es war Frühling und die übergroßen roten Tulpen in seinem Garten begannen zu blühen. Wir brachten sie in das Krankenhaus. Diese Blumen haben meinen Vater in der schwersten Zeit begleitet.
Seit seinem Tod ist die Tulpenblüte in jedem neuen Jahr besonders schmerzlich und zugleich schön. Diese Blumen erinnern mich an die Geborgenheit, die ich bei meinem Vater erlebt habe. Wie die Tulpenzwiebel in der Erde war ich auf Vaters Schoß sicher und geborgen und konnte Wurzeln schlagen. In meinem Leben kommt immer wieder etwas zum Blühen, was in der Beziehung zu ihm den Ursprung hat. Ich malte das Bild, das ich lange in mir getragen habe, und es bewegte mich tief. Obwohl da immer noch Schmerz ist, empfinde ich Freude und Dankbarkeit, dass ich diesen Ort habe und noch heute den Frieden spüre, der davon ausgeht.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihren Ort der Freude entdecken und bewahren. Gern begleite ich Sie auf der Suche.
Dorothee Oesemann
Trauerrednerin – Trauerbegleiterin
Nimm Abschied, Herz … Trauer ist sehr individuell und eine zutiefst persönliche Angelegenheit.
Gemeinsam ist allen Trauernden die Erfahrung: Der Verlust ist unwiederbringlich.
Trauernde brauchen vor allem Zeit und die Möglichkeit, ihre Trauer leben zu können.
Durch den bewussten Abschied von einem nahen Menschen – auch am offenen Sarg – durch das Dabeisein und Gestalten oder Helfen, durch das behutsame Wort zur richtigen Zeit, kann bereits auf dem Weg der Trauer die seelische Stärke der Hinterbliebenen neue Kraft gewinnen.
Die Kapellen können dabei die Orte sein, an denen Trauernde sich bewahren, was bewahrt werden kann, und loslassen, was nicht bleiben kann.
Schöne Erinnerungen an den Verstorbenen haben tröstende und den Trauerschmerz lindernde Wirkung. Sie stärken auch die Bindung und die Beziehung zum Verstorbenen. Deshalb sind Erinnerungsbilder oder Erinnerungsstücke für den Trauerprozess und die gemeinsame Liebe so entscheidend und wichtig.
Unser Gedächtnis kann durch verschiedene Dinge angeregt werden, daher können Erinnerungsstücke aus sehr verschiedenen Bereichen kommen. Klassisch sind sicherlich Fotos oder auch Filme, die das Gedächtnis anregen. Auch Kleidungsstücke oder persönliche Gegenstände des Verstorbenen können durch ihren Anblick tröstliche Erinnerungen aufkommen lassen. Man kann diese Erinnerungsstücke bei sich tragen oder sichtbar im Zimmer platzieren und so das tröstliche Gefühl haben, dass der Verstorbene immer noch anwesend ist, wenn auch in anderer Form.
Einen geliebten Menschen zu verlieren, wird im Leben der Hinterbliebenen immer schmerzen – doch die Trauer verändert sich und verabschiedet sich mit der Zeit.