Sie sind allgegenwärtig und werden doch kaum wahrgenommen – die Schleimpilze. Mit diesem Namen bezeichnet man eine Gruppe von Organismen, der etwa nach neuesten Kenntnissen 1000 Arten zugerechnet werden. Im Haushalt der Natur spielen sie eine gewichtige Rolle. Das Plasmodium dieser Fäulnisbewohner lebt vom Abfall organischer Materie. Es besiedelt Holz, Laub oder andere organische Abfälle und wandelt sie in Humus um. Aktiv werden sie vor allem nach regenfeuchten Tagen. Sie sind überall dort anzutreffen, wo derartige Substrate und ausreichend Feuchtigkeit zum Fortkommen dieser Abfallentsorger zur Verfügung stehen. Das sind in erster Linie Parks und Wälder, aber auch in jedem guten Komposthaufen sind sie anzutreffen und leisten wertvolle Hilfe. Dass sie kaum bekannt sind und keine allgemeine Beachtung finden, liegt wohl daran, dass sie keine wirtschaftliche Bedeutung haben. Dabei haben sie ein durchaus spannendes Leben. In ihrem Lebenszyklus durchlaufen sie die Stadien vom Tier zum Pilz, sie sind also Pilz und Tier zugleich. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass sich die Forscher lange Zeit schwer mit der Einordnung dieser sonderbaren Wesen der Natur in das biologische System taten. Die ersten, die sich mit Schleimpilzen beschäftigten, ordneten sie bei den Pilzen ein. Der schwedische Arzt und Botaniker Carl v. Linné (1707-1778) kannte 7 Arten. Er ordnete sie wegen ihrer äußeren Ähnlichkeit im Pilzstadium bestimmten Gattungen der Großpilze zu. Elias Magnus Fries (1794-1878), ein schwedischer Botaniker und Mykologe, beschrieb sie als eigene Gruppe, hielt aber noch an der Zuordnung zu den Pilzen fest.
Erst Heinrich Anton de Bary (1831-1888), ein deutscher Botaniker, der in Heidelberg, Marburg und Berlin Medizin studiert hatte und in Tübingen Privatdozent für Botanik an der medizinischen Fakultät war, hegte Zweifel daran. Nach eingehender Beobachtung dieser sonderbaren Lebewesen und ihres Lebenszyklus, grob gesagt von der Amöbe zum Pilz, verstand man den speziellen Charakter und den Sinn ihres Daseins. Wenn wir das Plasmodium, eine schleimartige Masse, die sich über ein Substrat hermacht, wahrnehmen, befindet sich das Pilztierchen schon im Endstadium hin zum Pilz. Fehlt ihm die Feuchtigkeit, entschließt es sich kurzerhand, diesen Zustand aufzugeben und bildet Fruchtkörper. Diese sind in Form und Farbe eine kleine Zauberwelt für sich. Wer mit einer 10fach-Lupe bewaffnet auf Jagd nach diesen Spezialisten geht, erlebt einen Mikrokosmos, dem man leicht erliegt. Die Fruchtkörper der Schleimpilze sind meist nur millimetergroß. Manche Arten fallen durch die Größe und intensive Farbe des Plasmodiums auf. So etwa die Gelbe Lohblüte (Fuligo septica), die ein handtellergroßes, satt gelbes Plasmodium bildet und leicht zu entdecken ist. Auch die haselnussgroßen, rosenroten Plasmodien des Blutmilchstäublings (Lycogala epidendrum) sind mit bloßem Auge auszumachen. Mit einer Portion Entdeckergeist hält unsere unmittelbare Natur Überraschungen bereit, die immer wieder aufs Neue unsere Bewunderung und Wertschätzung herausfordern. (jr) Foto: Rozynek
