Einer der charakteristischsten botanischen Gestalten des Mittelmeerraumes ist der Ölbaum. Seine ursprünglich heimische Verbreitung erstreckt sich von den Kanarischen Inseln über Marokko, Spanien und Portugal, nördlich über Südfrankreich, bis zum Südrand der Alpen, längs der Küste der Balkanhalbinsel bis zum Marmarameer, der Südküste der Krim und des Kaukasus. Die südliche Ausbreitung verläuft über Südmarokko, Algerien, Tunesien bis Südpalästina. In weiten Teilen des Mittelmeerraumes gehört er zu den wichtigsten Waldbäumen des immergrünen Gürtels. Mittlerweile wird er weltweit zwischen Japan bis nach Australien, Nord-, Mittel- und Südamerika oder den Bermuda-Inseln kultiviert. Der meist 10 Meter hohe Baum oder Strauch stellt an den Boden und das Klima nur geringe Ansprüche, gedeiht aber auf trockenen und an Kalisalzen reichen, porösen Kalkböden am besten. Vor Höhenlagen macht er keinen Halt. Er wird bis auf 600 Meter kultiviert und ist in Algerien und Marokko im Gebirge sogar bei 1200 bis 1600 Metern anzutreffen. Der Ölbaum zählt zu den wichtigsten Kulturpflanzen des Mittelmeerraumes, ohne den, Überlieferungen zufolge, die Lebensführung der antiken Mittelmeervölker fast undenkbar erscheint. Damit wird auch verständlich, warum der Ölbaum im Glauben und der Kunst eine außerordentliche Stellung einnahm. Der Überlieferung zufolge kehrte die von Noah ausgesandte Taube mit einem Ölblatt zurück. Seitdem gelten der Baum und die Taube als Symbole des Friedens. Im Papyrus Ebers wird das Öl in Rezepten erwähnt. Das aus dem Fruchtfleisch und den Steinkernen gewonnene Olivenöl war ein wichtiges Nahrungsmittel und Brennstoff zugleich. Es wurde zum Einfetten der Haut und für sakrale Zwecke gebraucht. Ebenso wurde es als Heilmittel in Wundpflastern, Salben, Wund- und Samariterbalsam verwendet. Gute Dienste leistete es bei verhärteten Geschwüren, schlechtem Gehör und als Abführmittel. Zur ausschließlich äußeren Anwendung wurde früher auch das Gemeine oder Grüne Baumöl gewonnen.
Die Verwendung des Fruchtfleisches zur Ernährung ist mindestens seit der Römerzeit bekannt. Von ihnen wurden Salzoliven, Oliven pikles, hoch gelobt. Die besten Salzoliven sollen aus Andalusien gekommen sein. Das Holz diente als Bauholz und der Herstellung von Ölpressen. Olivenöl wird in verschiedenen Verfahren und Stufen hergestellt. Das beste Speiseöl, das Jungfernöl – Huile vierge -, liefert die kalte Pressung des unbehandelten Fruchtfleisches nach vorheriger Trocknung der Früchte. Aus der letzten Pressung wird noch Maschinen- und Brennöl gewonnen, die Pressrückstände finden als Düngemittel oder getrocknet als Brennstoff Verwendung. Heute spielt Olivenöl in erster Linie als Speiseöl eine große Rolle. Außerdem wird es zur Herstellung von Seifen genutzt. Früher war das vollkommen reine Olivenöl, Oleum olivarum offizinell, innerlich als Mittel bei Magen-Darm-Entzündungen sowie Hämorrhoidal- und Gallensteinleiden gebräuchlich. Für die äußerliche Anwendung war es Bestandteil von Salben und Pflastern. Heute findet es neben seiner Verwendung als Speiseöl, es wirkt anregend auf die Gallentätigkeit, Anwendung in Kombination mit anderen Ölen und Extrakten zur Förderung des Abganges von Gallensteinen. Es wird aber auch direkt oder als Bestandteil von Salbengrundlagen als Hautpflegemittel verwendet. Aber auch der Anblick eines alten Ölbaumes tut manchmal Wunder und öffnet unsere Sinne für das Wunderbare. (jr.) Fotos Rozynek
